Ausländertagebuch, Eintrag Numéro 1

"Es ist ja nicht schlimm Justyna, dass du das falsch gemacht hast, du verstehst ja nicht so gut Französisch..." Wenn ich eine Ader auf meiner Stirn hätte, so eine richtig große, dicke, die man normalerweise nicht sieht, die aber immer dann hervortritt, wenn man kurz vorm ausrasten ist, dann würde die jetzt anfangen richtig heftig zu pochen. "Hier siehst du, so macht man's richtig," erklärt mir dann weiter der Gärtner und schwingt die Harke lässig über den Boden. "Hast du's verstanden?"
"NEIN ICH HAB'S NICHT VERSTANDEN, BITTE BITTE ERKLÄRE ES MIR NOCHMAL!"
"Wooow, ganz ruhig, ich schnauze dich ja auch nicht an." Ja, recht hat er. In diesem Falle versteht er es aber nicht. Er ist kein Ausländer.
(Kurz zur Klarstellung "des Verständnisses": Mir hat mein super Gärtner vorher nicht erklärt, wie man denn eigentlich jetzt die kleinen Gemüsefelder anlegen soll und nachdem ich fast das ganze Gewächshaus umgewühlt habe, er einige Male gekommen ist und mir gesagt hat, das alles bien ist, entscheidet er sich dann wirklich im letzten Augenblick dazu, etwas an meiner Arbeit auszusetzen. Ich besitze schon die nötige Demut einzusehen, wenn der Fehler auf meiner Seite lag, sei es des Verständnisses oder der Arbeitsweise wegen, natürlich ohne jemanden anzuschnauzen, aber da war das einfach nicht der Fall. So.)

Ich bin noch nicht lange hier. Vielleicht so 3 1/2 Monate. Dafür, dass es echt erst so eine kurze Zeit ist, verstehe ich sehr, sehr viel. Was nicht daran liegt, dass ich irgendwie begabt bin, sondern daran, dass ich mich tatsächlich für diese Sprache interessiere und mich intensiv mit ihr auseinandersetzte (sei es durch lesen, Übungen lösen, schreiben oder einfach die Wand vor meinem Schreibtisch anstarren, die zu tapeziert ist mit französischer Grammatik)
Das war unteranderem auch der Grund, weshalb ich so sauer, aber vor allem gekränkt war, als mir vorgeworfen wurde "nicht so viel zu verstehen". Weil ich einfach sehr viel Zeit in das Lernen dieser Sprache investiere und Herzblut und Leidenschaft und Hoffnung irgendwann mit einer Baskenmütze durch Paris zu laufen, von einem schönen Franzosen angesprochen zu werden, der mich nach meiner Handynummer und dem Ort meiner Herkunft fragt, und der dann ganz überrascht ist, wenn ich sage, dass ich aus Berlin komme, einfach weil ich so perfekt, akzentfrei reden kann...
Wenn man dann also sagt: "Du verstehst ja nicht so viel." Ist dass nicht nur eine falsche Behauptung, sondern auch ein Angriff auf all das, was ich bereits investiert habe und noch investieren werde.

Glücklicherweise gehöre ich nicht zu der Sorte Mensch, die sich von solchen Sprüchen entmutigen lässt. Ganz im Gegenteil. Ich rege mich dann ein bisschen auf und nutze diese Energie, um sie an meinen Bücher auszulassen. AHHHH, NIMM DAS CONDITIONNEL PASSÉ!
Im Endeffekt, auch wenn es jetzt noch nicht so wirkt, sind dass die Art von Sätzen, die einen am Weitesten bringen werden. Denn man will sich beweisen, dass man es doch kann. Nicht mal dem jenigen, der einem solche Dinge gesagt hat, sondern zu seiner eigenen Genugtuung.

In diesem Sinne, Kopf hoch, an alle die eine Sprache lernen und lasst euch von wirklich NICHTS entmutigen. 


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen